"Die Weisheit
ist eine einheitliche. Und so sehen wir, daß wir in dieser Weisheit,
in der Erkenntnis dasjenige haben, was in die individuellen, zersplitterten
Menschen verteilt ist, die da «verlassen haben Vater, Mutter,
Bruder, Schwester und Kind». Das werden sie wieder haben, eben
weil die Weisheit eine einheitliche ist. Derjenige begreift das Wort
vom Heiligen Geist, der begreifen kann, daß die Weisheit eine einheitliche
ist.
So weit sind die Menschen aber noch nicht, denn sie sagen ja noch
immer: Das ist mein Standpunkt, das finde ich so; der andere kann
ja einen andern Standpunkt haben. - Das ist ein Standpunkt, der überwunden
werden muß. Die Menschen mußten zum Ich, zum Egoismus
zersplittert werden. Noch haben sie nicht den Zusammenschluß mit
der einheitlichen Weisheit gefunden. Diesen werden die Menschen
dadurch finden, daß sie sich wirklich an diese einheitliche Weisheit
heranmachen und so stark individuell als möglich werden. Sie werden
sich abgewöhnen, wenn sie den einheitlichen Geist der Weisheit gewinnen,
zu sagen: Das ist mein Standpunkt, das ist meine Meinung. -
Wenn man sich klar darüber geworden ist, daß es der einheitlichen
Weisheit gegenüber keinen besonderen Standpunkt gibt, daß jedes
Stehen auf einem besonderen Standpunkt nichts anderes ist, als daß
man nicht weit genug vorgedrungen ist, erst dann kann man die Idee
vom Heiligen Geist begreifen. Nur der unvollkommene Mensch hat
seinen Standpunkt. Derjenige Mensch, der sich dem Geist der Weisheit
nähert, hat keinen Standpunkt. Er weiß, daß er sich selbstlos hinzugeben
hat der ureinen Weisheit. Wie sich alle Pflanzen der einheitlichen
Sonne zuneigen, so werden sich die Menschen vereinigen, hinneigen
zu dem Einen, weil der eine Geist der Weisheit in ihnen lebt.
Ist aus dem Christus dasjenige ausgeflossen, was ursprünglich die
Menschen im Blute verbunden hat, so schließt uns die Weisheit wieder
zusammen in dem Bruderbunde."
Rudolf Steiner, GA 96
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